Innovative Arzneimittel

Innovative, patentgeschützte Arzneimittel können unmittelbar nach Erhalt der europäischen oder nationalen Zulassung in Deutschland in Verkehr gebracht werden. Der pharmazeutische Unternehmer kann den Preis für das Arzneimittel mit dem Markteintritt frei festlegen und das Arzneimittel wird auch durch die Krankenkassen erstattet. Mit dem Markteintritt muss der pharmazeutische Unternehmer ein Dossier im Rahmen der frühen Nutzenbewertung nach AMNOG beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einreichen. Der G-BA setzt sich zusammen aus den unparteiischen G-BA Vertretern, dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als Organ der niedergelassenen Ärzte, der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertreter der Krankenhäuser sowie nicht stimmberechtigten Patienten­organisationen. Das Nutzendossier muss den formalen Kriterien des G-BA – insbesondere zur Vollständigkeit – genügen und auf Basis der durch den G-BA vorgegebenen Formate erstellt werden.

Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG

Wesentliches Kriterium für die Erstellung eines AMNOG Nutzendossiers stellt der Vergleich des neuen Arzneimittels mit einer vom G-BA bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie dar, da der Zusatznutzen eines Arzneimittels gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie bestimmt wird. Im Allgemeinen empfiehlt es sich, vor der Erstellung eines Nutzendossiers ein Beratungsgespräch beim G-BA in Anspruch zu nehmen, um insbesondere die zweckmäßige Vergleichstherapie im Anwendungsgebiet zu klären. Existieren mehrere zweckmäßige Vergleichstherapien, so kann der pharmazeutische Unternehmer eine der vorgegebenen ZVTs für die frühe Nutzenbewertung wählen. In dem Beratungsgespräch können zudem Fragen zu patientenrelevanten Endpunkten und deren Validität sowie zur Population bzw. Subpopulationen diskutiert werden. Die Nutzenbewertung des G-BA für innovative Arzneimittel wird durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchgeführt, die Entscheidung über den Nutzen und Zusatznutzen wird durch den G-BA getroffen.

Das Verfahren der Nutzenbewertung ist zeitlich und inhaltlich strukturiert. Die frühe Nutzenbewertung wird innerhalb von 3 Monaten nach Einreichen des AMNOG-Dossiers seitens IQWiG auf der homepage des G-BA veröffentlicht. Im Anschluss daran, findet eine Anhörungsphase statt, die zum einen aus einer schriftlichen Stellungnahme besteht, die innerhalb von 3 Wochen abgegeben werden muss. Zum anderen findet eine mündliche Anhörung ca. 2 Wochen nach Abgabe der schriftlichen Stellungnahme vor dem G-BA statt. Die Entscheidung des G-BA über den Zusatznutzen eines innovativen Arzneimittels wird 6 Monate nach Markteintritt / Dossiereinreichung veröffentlicht. Der G-BA beschließt über die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß des Zusatznutzens eines neuen Arzneimittels gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Die Definitionen zur Wahrscheinlichkeit und zum Ausmaß des Zusatznutzens sind im Methodenpapier des IQWiG beschrieben. Es wird unterschieden zwischen Beleg, Hinweis oder Anhaltspunkt für die Wahrscheinlichkeit eines Zusatznutzens, wobei diese Kategorien im Wesentlichen durch die zugrundeliegende Evidenz (Anzahl und Qualität randomisiert kontrollierter Studien) bestimmt werden. Die Effektgrößen bezogen auf einzelne patientenrelevante Endpunkte entscheiden über das Ausmaß des Zusatznutzens. Hier werden die Kategorien erheblicher, beträchtlicher, geringer, nicht quantifizierbarer, kein oder geringerer Zusatznutzen unterschieden. Die Kategorien werden in der Arzneimittelnutzen­bewertungs-Verordnung beschrieben und sind im Methodenpapier des IQWiG operationalisiert.

Preisverhandlungen

Das Ergebnis der Nutzenbewertung des G-BA hat Konsequenzen für die Preisverhandlungen über den Erstattungsbetrag. Die Preisverhandlungen werden im Anschluss an die Nutzenbewertung zwischen dem pharmazeutischen Unternehmer und dem GKV Spitzenverband innerhalb von 6 Monaten geführt. Dazu werden seitens des GKV Spitzenverbands 4-5 Verhandlungstermine vorgegeben, um innerhalb des Zeitraums zu einer Vereinbarung über den Erstattungsbetrag zu kommen. Preisverhandlungen oberhalb des Preises der zweckmäßigen Vergleichstherapie sind prinzipiell nur für Arzneimittel mit einem Zusatznutzen möglich. Innovative Arzneimittel, bei denen kein Zusatznutzen vorliegt oder nicht belegt werden kann, werden auf dem Niveau der wirtschaftlichsten ZVT vereinbart. Das Gesetz bestimmt, dass von dieser Vorgabe nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann.

Für neue Arzneimittel, die einer Festbetragsgruppe zugeordnet werden können, wird die Nutzenbewertung anhand der Festbetragssystematik vorgenommen. Sollte hier kein Zusatznutzen festgestellt werden können, werden diese Arzneimittel unmittelbar der bestehenden Festbetragsgruppe zugewiesen, so dass der Festbetrag als maximaler Erstattungsbetrag gilt. Der Erstattungsbetrag tritt 12 Monate nach Markteintritt in Kraft. Sollte keine Einigung in den Verhandlungen über den Erstattungsbetrag erzielt werden können, wird innerhalb von 3 Monaten ein Schiedsverfahren durchgeführt, in dem der Erstattungsbetrag rückwirkend festlegt wird.

Der neue Erstattungsbetrag wird also immer 12 Monate nach Markteintritt / Abgabe des Dossiers wirksam. Für Arzneimittel, bei denen eine neue Indikation bewertet wird, gilt zunächst – für den Zeitraum von 12 Monaten – der bereits verhandelte Erstattungsbetrag bzw. bei Arzneimitteln, die vor Einführung des AMNOG in Verkehr gebracht worden sind, der bestehende Preis. Im Zuge der Verhandlungen kann der Erstattungsbetrag / Preis angepasst werden.

Market Access und Reimbursement im stationären Bereich

Das AMNOG bezieht sich generell nur auf die Arzneimittelpreise im ambulanten Bereich, die durch die Arzneimittelpreisverordnung geregelt sind. Im stationären Bereich werden die Arzneimittelpreise unmittelbar zwischen dem pharma­zeutischen Unternehmer und den Krankenhäusern vereinbart. Der Erstattungs­betrag nach AMNOG hat insofern nur Signalwirkung für die Verhandlungen im stationären Bereich.

Die Erstattung im stationären Bereich zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen richtet sich nach dem stationären Vergütungssystem. Für die Erstattung neuer Arzneimittel können Krankenhäuser einen sogenannten NUB – Antrag an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) richten. Stellt das InEK fest, dass das neue Arzneimittel noch nicht sachgerecht mit dem DRG – System vergütet wird, so kann ein NUB – Entgelt für das innovative Arzneimittel zwischen dem anfragenden Krankenhaus und den Krankenkassen vereinbart werden.

Damit wird die neue Leistung zusätzlich zu den Fallpauschalen des DRG – Systems erstattet. NUB – Anträge können nur einmal jährlich mit Stichtag 31. Oktober beantragt werden; die Entscheidung des InEK wird bis Ende Januar des Folgejahres getroffen. Arzneimittel, die ausschließlich im stationären Bereich eingesetzt werden, können von der frühen Nutzenbewertung nach AMNOG freigestellt werden. Ein Freistellungsantrag muss mindestens 3 Monate vor dem In-Verkehr-bringen beim G-BA gestellt werden.

Der G-BA bewertet den patientenrelevanten Nutzen und Zusatznutzen eines innovativen Arzneimittels hinsichtlich der Endpunktkategorien Mortalität, Morbidität, Lebensqualität und Nebenwirkungen. Grundlage der Bewertung stellt die Methodik der evidenzbasierten Medizin dar, wobei für Arzneimittel im Allgemeinen randomisiert kontrollierte Studien gefordert werden. Eine besondere Herausforderung ergibt sich, wenn die zweckmäßige Vergleichstherapie in der zugelassenen Indikation oder für einzelne Subpopulationen nicht durch die Zulassungsstudien abgebildet werden kann. In diesem Fall müssen indirekte Vergleiche durchgeführt werden, um den Zusatznutzen zu beschreiben. Neben der Bewertung des Zusatznutzens beschließt der G-BA über die Anzahl der Patienten in der Indikation / Subpopulation, also die Prävalenz der Erkrankung in Deutschland. Zudem werden die Kosten der neuen, innovativen Therapie den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie gegenübergestellt.